Erste Teileröffnung der Neubauten am Tacheles und des sanierten Altbaus noch dieses Jahr vorgesehen

Mit großen Schritten geht das Entwicklungsprojekt mit den Neubauten „Am Tacheles“ in der Oranienburger Straße der Fertigstellung entgegen. Bald sollen die ersten Gebäude eröffnet werden.

Das neue Stadtquartier „Am Tacheles“ an der Oranienburger Straße im April ’22. Foto: C. Hajer

 

Das neue Stadtquartier wurde für Büro, Wohnen, Handel und Kultur konzipiert. Die gemischten Nutzungen, darunter 265 Wohnungen, verteilen sich in Neubauten und Bestandsgebäuden auf einer Grundstücksfläche von 23.346 Quadratmetern mit einer Bruttogeschossfläche von 143.000 Quadratmetern. Zum Vergleich: Die Baumasse entspricht etwa dem Eineinhalbfachen des Berliner Humboldt Forums oder der Hälfte des Flughafens Tempelhof. Hier allerdings eingebettet in die Struktur einer historischen Blockrandbebauung der Spandauer Vorstadt.

Wechselvolle Geschichte und Planung

An dieser Stelle verband 1908 das von Franz Ahrends entworfene Passage-Kaufhaus die Friedrichstraße mit der Oranienburger Straße. Nach schweren Kriegsschäden wurde der größte Teil des Ensembles 1980-82 gesprengt und abgetragen. Der als Ruine erhaltene Kopfbau an der Oranienburger Straße wurde seit der Wende als Künstlerhaus Tacheles genutzt.

Der größte Teil des Blocks fiel noch zu DDR-Zeiten Anfang der 80er Jahre dem Abriss zum Opfer. Danach blieb das Gelände unbebaut, geplante Neubauten wurden nicht realisiert. Seit 1990 hat das Quartier zahlreiche Eigentümerwechsel und Planungskonzepte erlebt.

Im Gegensatz zu den kontrovers diskutierten Entwürfen der Vorbesitzer aus dem Jahr 2003 im Stil des New Urbanism spiegeln die Neubauten nun aktuellere Entwicklungen der zeitgenössischen europäischen und Berliner Baukultur wider.

Städtebaulicher Rahmenplan orientiert sich am Verlauf der historischen Passage

Das städtebauliche Konzept von Herzog & de Meuron für die Neubauten am Tacheles orientiert sich am Verlauf der historischen Passage. Die Umsetzung des Projekts mit einem Investitionsvolumen von rund 800 Millionen Euro erfolgte unter Beteiligung der Berliner Büros Grüntuch Ernst Architekten und Brandlhuber + Muck Petzet.

Masterplan Ouartier am Tacheles Masterplan (c) pwr development

 

Herzog & de Meuron sind in Deutschland vor allem durch den Bau der Elbphilharmonie bekannt und gewannen 2012 den Wettbewerb für das im Bau befindliche Museum der Moderne am Berliner Kulturforum. Gemeinsam mit den Architekten Aukett & Heese entwarf das Büro den Masterplan und sechs Einzelgebäude.

Der Entwurf folgt dem Verlauf der historischen Passage und gruppiert zehn Neubauten und das bestehende Tacheles-Gebäude um drei öffentlich zugängliche Plätze. Der größte von ihnen ist der Aaron-Bernstein-Platz.

Da mit 43.000 Quadratmetern rund 30 Prozent der Bruttogeschossfläche unterkellert sind, konnten die Traufhöhen im städtebaulichen Kontext eingehalten werden. Neben den haustechnischen Anlagen wurden nach den Plänen von RKW Architekten auch Stellplätze für 400 PKW mit Ladestationen und für 500 Fahrräder in den gebäudeübergreifenden Untergeschossen geschaffen. Der Rohbau der Untergeschosse wurde von der Köster GmbH erstellt. Generalunternehmer für den Hochbau war Hochtief Infrastructure. Baubeginn für den Tiefbau war 2016, das Richtfest 2020.

Prägnante Architektur der neuen Gebäude

Markant gestaltete Baukörper betonen die Eingänge in das neue Quartier und stellen die Verbindung zum umgebenden Stadtraum her.

An der Oranienburger Straße fällt zunächst das schmal aufragende, mit Loggien und Rundbogenfenstern gestaltete Wohn- und Geschäftshaus ins Auge. Es erinnert an die Neubauten von David Chipperfield im benachbarten Forum Museumsinsel und in der Linienstraße und bildet den Übergang zum Bernstein Platz.

Neubauten an der Oranienburger Straße von Herzog & de Meuron Wohngebäude mit Einzelhandel an der Oranienburger Straße  Bild: (c) bloomimages /unverb. Visualisierung

 

Gleich dahinter bildet das Torhaus des Tacheles den Eingang zur Passage. In dem denkmalgerecht sanierten Objekt, das dem Entwicklungsprojekt seinen Namen gibt, wird im Herbst das internationale Fotomuseum Fotografiska eröffnet.

Als Pendant steht an der Friedrichstraße ein großes Torhaus mit zwei angedeuteten Turmansätzen. Orientiert an der großstädtischen Maßstäblichkeit der angrenzenden Bebauung der Friedrichstraße lenkt das Gebäude den Blick in die Tiefe der Passage.

 

AM TACHELES Friedrichstraße, REWE-Markt AM TACHELES Friedrichstraße, REWE-Markt   Bild: (c) bloomimages /unverb. Visualisierung

 

Für die gewerblich genutzten Bereiche bestehen bereits Verträge mit der Handelskette REWE und dem Internethändler Autodoc, der hier seine Unternehmenszentrale mit 400 Mitarbeitern ansiedeln wird.

An der südlich gelegenen Johannisstraße bilden zwei markante Wohngebäude und der Johannisplatz die Verbindung zum Quartier. Interessant sind hier die abwechslungsreichen Dachlandschaften mit Terrassen und Aufenthaltsbereichen.

Die Gestaltung der teilweise begrünten Dachterrassen, der öffentlich zugänglichen sowie der privaten Hofbereiche wurde vom Landschaftsarchitekturbüro Vogt und Partner geplant.

Seit der Eröffnung des Potsdamer Platzes vor 20 Jahren hat die Berliner Innenstadt zahlreiche Sanierungen und Neudefinitionen von gemischt genutzten Stadtquartieren erlebt.

Man darf gespannt sein, welchen Beitrag das neue Quartier zur städtebaulichen Qualität der Innenstadt leisten kann.