Situation und Perspektiven
Die Folgen des Klimawandels in der Region Berlin sind bereits heute deutlich spürbar.
Der Bericht des EU-Klimawandelservice Copernicus für 2024 zeigt, dass Europa sich schneller erwärmt als andere Kontinente, mit einem Anstieg von 2,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit.
Veränderte Niederschlagsmuster verlängern Dürreperioden, verstärken Stürme und erhöhen Regenmengen in kurzer Zeit. Die Kosten für die Auswirkungen des Klimawandels auf Städte und Gemeinden steigen stark. Eine konsequente Anpassungstrategie an den Klimawandel auf kommunaler Ebene ist nötig, um die Lebensqualität zu erhalten und die Sicherung des Wirtschaftsstandorts. Konzepte zur Klimaanpassung sind dabei fester Bestandteil des kommunalen Handelns vieler Gemeinden.
Auch das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat die Klimasensitivität des Berliner Raums für Mensch und Natur untersucht und folgendes festgestellt:
„Die Spreemetropole gehört zu den gefährdetsten Städten in Deutschland“
Die Großstadt bildet im Vergleich zum Umland eine Wärmeinsel. An heißen Tagen werden hier Spitzenwerte gemessen, die 4 bis 10 Grad Celsius höher sind als in der Region, der Hitzestress im Sommer steigt. Die Medien zeigen die sichtbare Schäden in der Stadtinfrastruktur, wie umgestürzte Bäume, überflutete Straßen, blockierte Schienenwege und gekappte Oberleitungen der Bahn. In letzter Zeit rücken jedoch die direkten gesundheitlichen Auswirkungen von zunehmenden Hitzewellen auf die Menschen in Ballungsräumen und Städten stärker in den Fokus. Für Europa ging die WHO für 2022 von 15.000 Hitzetoten aus. Für das Jahr 2023 verzeichnete das Robert-Koch- Institut RKI in Deutschland 3.200 Hitzetote in den Sommermonaten, 2024 waren es 3. 000. Hitze fordert inzwischen 96 Prozent aller Opfer von Naturkatastrophen und wird in der Medizin oft als „stiller Tod“ bezeichnet.

Hitzespitzen in der Berliner Innenstadt (Ausschnitt). Quelle: Heatmap Berlin Souverijns, N. (2024) Hitzestressindikatoren bei 1m und 30m für Berlin, Zenodo
Hitze wirkt sich auch stark auf die Vegetation in Großstädten und die kommunale Infrastruktur aus: Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen sind beträchtlich. So könnten klimabedingte Schäden bis 2050 weltweit jährliche Kosten von 36 Billionen Euro verursachen, mit erheblichen Verlusten auch in Europa.
„Es ist essentiell, die Stadtgesellschaft über die kommenden Risiken aufzuklären und zu verdeutlichen, dass und vor allem wie gehandelt werden kann – auch von jedem und jeder Einzelnen“
Fritz Reusswig, PIK Potsdam, 2016
Politik und Konzepte für die kommunale Klimaanpassung
2011 beschließt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz den Stadtentwicklungsplan (StEP) Klima, ein informelles Planungsinstrument, um Fachwelt und Bevölkerung zu sensibilisieren und zu informieren. Es folgen mehrere Publikationen mit Best-Practice-Beispielen zur Anpassung kommunaler Infrastruktur an die Klimafolgen.
2016 erfolgt die Verabschiedung eines neuen StEP Klima „Konkret“. Angesichts des fortschreitenden Wachstums der Stadt und neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse ist die Anpassung an den Klimawandel als integrierte Strategie formuliert worden. Statt eigene Fördermittel für die kommunale Klimaanpassung bereitzustellen, sollen Maßnahmen in neue Projekte von Wohnungsbau, Gewerbeentwicklung, Verkehrsplanung sowie der Grün- und Freiflächengestaltung integriert werden.

Grünfassade. Foto: C. Hajer
An der Strategie der kompakten Stadt, der „Stadt der kurzen „Wege“ durch Nachverdichtung wird dabei festgehalten. Eine Fokussierung der Massnahmen erfolgt auf die Wetterextreme Trockenheit und Starkregen in den am stärksten betroffenen Stadtgebieten. Die Auswahl und räumlichen Schwerpunkte der Maßnahmen für das Stadtklima stützt sich dabei auf eine GIS- gestützte Modellierung stadtklimatisch relevanter Kennwerte auf der Basis hochaufgelöster Gebäude- und Vegetationsdaten.

Gutes Beispiel: Schwammstadt Quartier in Berlin-Köpenick. Foto: C.Hajer
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Maßnahmen
Im StEP Klima “Konkret“ werden sechs Interventionsbereiche genannt um die Resilienz urbaner Infrastruktur zu verbessern:
- Dachgestaltung
- Fassadengestaltung
- Erhöhung der Rückstrahlung (Albedo)
- Urban Wetlands zur Kühlung
- Regenwassermanagement zur Überflutungsvorsorge
- Auf die Tageszeit abgestimmte Kühlung
Weitere Aktivitäten der Politik für Klimaschutz und kommunale Klimaanpassung
Das 2016 in Kraft getretene Berliner Energiewendegesetz bildet den gesetzlichen Handlungsrahmen für die angestrebte Klimaneutralität der Stadt bis 2050. Im Vergleich zum Referenzwert des Jahres 1990 sollen die CO2 Emissionen bis 2020 um 40% und bis 2030 um 60% gesenkt werden. Dabei will die kommunale Verwaltung selbst mit gutem Beispiel vorangehen: Senats- und Bezirksverwaltungen sollen sich so organisieren, dass sie bereits ab dem Jahr 2030 CO2-neutral arbeiten.
Das Bundesgesundheitsministerium forderte 2017 die Kommunen auf, zum Schutz der Bevölkerung Hitzeaktionspläne als kommunale Konzepte zu erstellen. Dem kamen die Kommunen nur zögerlich nach. So stellte Berlin erst am 20. Juni 2022 einen sogenannten Hitzeschutzplan vor.
2018 wird das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm, kurz BEK, verabschiedet. Das BEK enthält Maßnahmen in den Handlungsfeldern Energie, Verkehr, Gebäude und Stadtentwicklung, Wirtschaft sowie private Haushalte und Konsum für den Umsetzungszeitraum bis 2020 und den Entwicklungshorizont 2030. Das BEK bildet den „Fahrplan“ auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050. Zur Überwachung und Bewertung der weiteren Entwicklung klimatischer Parameter wird ein Klimafolgenmonitoring durchgeführt.

Foto: C. Hajer
Zur besseren Vernetzung und Förderung des nachhaltigen Umgangs mit Regenwasser wurde von Sen UVK und den Berliner Wasserbetrieben 2018 die Berliner Regenwasseragentur gegründet.
Starker Druck auf die zögerliche Klimapolitik von Bundesländern und Kommunen kommt inzwischen von zivilgesellschaftlichen Initiativen: Durch die großen öffentlichen Demonstrationen im Regierungsviertel durch FridaysforFuture mit Appellen an die Politik. Oder auch in konfrontativen und daher kontrovers diskutierten Protestformen der „Letzten Generation“ oder von „Extinction Rebellion“ die den Aktionsradius der Klimabewegung auf den motorisierten Stadtverkehr und Kultureinrichtungen ausweiten.
Am 6. Mai 2021 beschloss die Regierungskoalition im Berliner Abgeordnetenhaus, einen Klimabürger*innenrat nach einem Vorbild in Frankreich einzurichten. Dieser Rat sollte Vorschläge und Handlungsempfehlungen für ein sozial gerechtes und klimaneutrales Berlin entwickeln. Ein Erfolg der Initiative „Klimaneustart“, die dazu 24.812 gültige Unterschriften für einen Klima-Bürger*innenrat eingereicht hat. Der Senat war gefordert, die Einsetzung des Klima-Bürger*innenrates zu implementieren und Finanzmittel für Arbeit, Moderation und wissenschaftliche Begleitung bereitzustellen.
Erste Ergebnisse liegen nun vor.
Auch die Bereitstellung und Aufbereitung relevanter Informationen durch städtische Unternehmen für Schulen und junge Menschen ist bedeutsam: Klimamacher.berlin ist ein gutes Projekt, weil es Fragen von Klimaschutz und Klimaanpassung im eigenen Lebensumfeld verbindet.
In Zusammenarbeit mit Universitäten und Baumschulen werden Listen für den „Stadtbaum der Zukunft“ oder „Klimabäume“ erstellt. Das sind Baumarten, die widerstandsfähiger gegen Trockenheit, Wind oder Krankheiten sind. Sie sollen mittel- und langfristig die heutigen Stadtbäume ersetzen. Dabei handelt es sich um verwandte Arten aus europäischen Nachbarländern, in Baumschulen gezüchtete Hybriden oder Neophyten – Pflanzen aus entfernten geographischen Regionen.
Für Städte und Gemeinden stellt auch das Bundesministerium für Umwelt, BMU Fördermittel zur Klimaanpassung für Kommunen bereit, auch für Stellenbesetzungen mit Klimamanager*Innen.
Das Bundesministerium für Bauen, Wohnen und Städtebau (BMWSB) fördert den klimagerechten Umbau von Innenstädten in Deutschland im Jahr 2023 mit 790 Millionen Euro.
Inzwischen bereitet die Bundesregierung einen nationalen Hitzeschutzplan vor. Die Stadt Berlin will 2025 einen Hitzeaktionsplan beschließen.